Stimmen aus der Lehre

Integration von Schlüsselkompetenzen in Lehrveranstaltungen


„Der Dialog führt zu Erkenntnissen, die sonst nicht möglich wären.“

Wie gewinnbringend die Verbindung von professioneller Schreibdidaktik und erfahrener Fachlehre sein kann, zeigt die Zusammenarbeit von Dr. Renata Behrendt vom Deutschen Seminar und unserem Schreibdidaktiker David Kreitz. Gemeinsam konzipierten sie ein Seminar und gaben einen Sammelband heraus, um praxisnahe Konzepte und Methoden zum autobiografischen Schreiben in Bildungskontexten vorzustellen.

Frau Dr. Behrendt, wie sind Sie auf die Angebote für Lehrende des Teams Schlüsselkompetenz Schreiben aufmerksam geworden?

Mein Interesse wurde durch eine Umfrage zu Schreibkompetenzen der Studierenden an der LUH geweckt, die vom Team Schlüsselkompetenz Schreiben durchgeführt wurde. Als Deutschdidaktikerin weiß ich, wie wichtig es ist, dass künftige Deutschlehrkräfte nicht nur selbst über eine gut ausgeprägte Schreibkompetenz verfügen, sondern sich auch möglichst viele Methoden aneignen, wie man den Erwerb der Schreibkompetenz unterstützen kann.

Wie hat sich die Zusammenarbeit entwickelt?

Bereits im ersten Gespräch, das wir Anfang 2019 geführt haben, haben sich Synergieeffekte angedeutet. Ich plante für das kommende Sommersemester ein Seminar zum Thema identitätsorientierter Literaturunterricht. Dabei lag es mir daran, neben dem rezeptionsorientierten Zugang zu dieser Thematik auch eine produktionsorientierte Perspektive zu öffnen.

Hier kam Herr Kreitz ins Spiel. Als Gastdozent gestaltete er zwei Sitzungen mit den Studierenden des Deutschen Seminars. Er führte die Studierenden in das Thema "Schreiben als reflexive Praxis" ein und gab den Anstoß, Autoethnografie als Form des erkenntnisorientierten Schreibens auszuprobieren. Die Konzeption des Sammelbandes zum autobiografischen Schreiben in Bildungskontexten war eine logische Konsequenz unserer Zusammenarbeit.

Beim autobiografischen Schreiben wird oft zunächst an die ganze Lebensgeschichte gedacht. Welche Vorteile bieten Methoden autobiografischen Schreibens im Rahmen von Lehrveranstaltungen?

In der Fachdidaktik Deutsch und Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (DaF/DaZ) werden verschiedene Formen autobiografischen Schreibens eingesetzt. Sie ermöglichen den Lehrenden, sich in die Situation der Lernenden hineinzuversetzen,die eigenen Vermittlungsprozesse kritisch zu reflektieren und ggf. neu zu modellieren.

Das Verfassen von Leseautobiografien durch Lehramtsstudierende erlaubt diesen, Einblicke in die eigene Lesesozialisation zu gewinnen und daraus Überlegungen zu Lesefördermaßnamen abzuleiten. Wenn mehrsprachige Schüler*innen über ihre Sprachen autobiografisch schreiben, setzen sie sich mit ihrem Sprachenrepertoire reflexiv auseinander. Schreibbiografien von DaF/DaZ-Lernenden bieten Zugang zum Schriftspracherwerb unter den Bedingungen der Mehrsprachigkeit. Solche Formen autobiografischen Schreibens fördern die Reflexion über Spracherwerbsprozesse bei den Schüler*innen wie auch bei den Lehrer*innen. Zudem können Lese-, Schreib- und Sprachbiografien in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften angewendet werden.

Herr Kreitz, das Team Schlüsselkompetenz Schreiben unterstützt Studierende beim wissenschaftlichen Schreiben im Studium und – wir haben es gerade gehört – Lehrende in ihren Lehrveranstaltungen. Wie spielt das autobiografische Schreiben dabei eine Rolle?

 In der Schreibdidaktik gibt es im Grunde zwei Ansätze, die sich mit den englischen Begriffen des "learning to write" und des "writing to learn" fassen lassen. Unsere Workshops und Beratungen aber auch viele unserer Kooperationen fokussieren auf das "learning to write", also die Unterstützung der Studierenden bei der Umsetzung akademischer Prüfungstexte wie Haus- und Abschlussarbeiten.

Das autobiografische Schreiben, verstanden nicht als Nacherzählung der Lebensgeschichte, sondern als schriftliche Reflexion von Ereignissen im Lebensverlauf, ist stark mit dem "writing to learn" verbunden. Schreiben wird hier als Mittel der Reflexion genutzt, um sich Lernerfahrungen buchstäblich vor Augen zu führen und ihre Konsequenzen für zukünftiges Handeln festzuhalten.

Die Zusammenarbeit mit Frau Dr. Behrendt war ja sehr umfangreich. Welche Möglichkeiten der Kooperation bieten Sie und das Team Schlüsselkompetenz Schreiben für Lehrende im Allgemeinen?

Auch hier lassen sich wieder das "learning to write" und das "writing to learn" unterscheiden. Im Bereich "learning to write" bieten wir die gemeinsame Konzeption von Schreibaufgaben für Seminare an, die Besprechung von Bewertungsrastern für schriftliche Arbeiten und die Durchführung gemeinsamer Seminarsitzungen zur Verknüpfung von Fachlehre und Schreibmethoden für das wissenschaftliche Schreiben.

Für das "writing to learn" sind wir für die Gestaltung reflexiver Schreibaufgaben oder die gemeinsame Umsetzung von reflexiven Aufgaben in Lehrveranstaltungen ebenfalls ansprechbar. Sei es, dass auf vormalige Schreiberfahrungen zurückgeblickt werden soll (wie war das bei meiner letzten Hausarbeit, was will ich diesmal anders machen) oder aber auch auf inhaltliche Vorkenntnisse (in der Vorlesung in der letzten Woche ging es um das Thema ...).

Frau Dr. Behrendt, wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Ich bin stolz auf die Früchte unserer Zusammenarbeit, die Studierenden, Lehrkräften, Schreibtrainer*innen und -therapeut*innen interessante Impulse liefern. Auch für die Zukunft plane ich, Kolleg*innen vom Team Schlüsselkompetenz Schreiben der ZQS in meine Lehrveranstaltungen einzuladen, um das Lehrangebot differenzierter zu gestalten. Ich freue mich auf die Dynamik, die in den Seminaren entsteht, wenn sich der Dialog im Dreieck Studierende – Dozentin – Schreibexperte schwungvoll entwickelt und zu Erkenntnissen führt, die sonst nicht möglich wären.


"Deutliche Verbesserung der Textqualität"

Das Team Schlüsselkompetenz Schreiben engagiert sich unter anderem im Studiengang Wissenschaft und Gesellschaft. Ein Interview mit Frau Prof. Dr. Eva Barlösius, Vorsitzende des Prüfungausschusses und Ann-Christin Bartels, Fachberaterin und Koordinatorin des Studiengangs über die Zusammenarbeit und die Verbesserung der Schreibkompetenz ihrer Studierenden (der Text erschien im Newsletter "ZQS/Info", Ausgabe 01/2018).

Wie unterstützt Sie das Team Schlüsselkompetenz Schreiben bei Ihrer Arbeit?

Sie helfen uns ganz unmittelbar in der Lehre, immer dann, wenn wir an didaktische und pädagogische Grenzen stoßen und es nicht genügt, Inhalte zu vermitteln, sondern es um praktische Fähigkeiten geht.

Insbesondere helfen sie beim Thema Hausarbeit schreiben. Ihren Besuch in den Lehrveranstaltungen planen wir gleich von Anfang an in den Ablauf der Veranstaltung ein. Wir kümmern uns um die Inhalte der Hausarbeit und sprechen mit den Studierenden mögliche Forschungsfragen durch. Die Beraterinnen und Berater des Teams Schlüsselkompetenz Schreiben bauen auf diesem theoretischen Fundament auf. Sie machen mit den Studierenden praktische Übungen, z. B. wie entwickle ich eine Fragestellung, wie grenze ich das Thema meiner Hausarbeit ein, wie gliedere ich meine Arbeit. Diese praktischen Probleme bearbeiten die Studierenden jeweils für ihr Hausarbeitsthema. Am Schluss gehen alle Studierenden mit einem ausgearbeiteten und geprüften Hausarbeitskonzept in die Semesterferien. Soweit das erste Semester.

Im zweiten Semester unterstützt uns das Team bei zwei weiteren Seminarsitzungen im Rahmen des Projektstudiums. Sie beherrschen Techniken, die helfen, arbeitsfähige und verlässliche Peer-Gruppen zu bilden, die bis zum Schluss des Studiums zusammenarbeiten und sich gegenseitig fördern. Weiterhin führen sie praktische Übungen zum wissenschaftlichen Schreiben durch und üben mit den Studierenden, die Texte ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen zu kommentieren.

Welche Vorteile sehen Sie für die Studierenden darin, das wissenschaftliche Schreiben integrativ in der Lehre zu unterstützen?

Die gezielte Förderung von Schreibkompetenzen hilft den Studierenden für den gesamten Verlauf ihres Studiums, insbesondere auch für die Masterthesis. Besonders wichtig ist, dass alles unmittelbar praktisch vermittelt wird, die Studierenden sich Techniken aneignen, die sie immer wieder nutzen können.

Der Prozess der professionellen Bildung von Peer-Gruppen verbessert das Arbeitsklima im Studiengang: Die Studierenden helfen sich, achten aufeinander und kümmern sich, falls jemand mal nicht so mitkommt oder gerade privat besonders belastet ist.

Inwiefern haben sich die Schreibprojekte der Studierenden durch die Zusammenarbeit mit uns verändert?

Ganz einfach: Die Qualität der Hausarbeit hat sich seitdem deutlich verbessert, vor allem aber fühlen sich die Studierenden gut vorbereitet. Sie wissen, wie sie die Masterarbeit angehen, nehmen das nicht mehr als kaum zu erklimmenden Berg wahr.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Besonders gefällt uns, dass präzise auf den Studiengang zugeschnittene Konzepte entwickelt werden. Das Team geht stets auf Fragen und Wünsche der Studierenden und Lehrenden ein. Wir haben gelernt, Inhalte zu vermitteln, aber entsprechende Schreibtechniken beherrschen wir im Allgemeinen nicht. Außerdem haben wir genug damit zu tun, forschungsorientierte Lehre vorzubereiten und durchzuführen. Da sollten wir die Vermittlung der praktischen Techniken Kolleginnen und Kollegen überlassen, die das professionell gelernt haben.